Freitag, 25. Februar 2011

Adhocracy im Bundestag verrät die Ideen von Liquid Democracy

[Dies ist kein Beitrag zur Magisterarbeit, sondern ein politischer Text.]

Endlich ist es soweit:  Erstmals sollen Bürger auf der Website "EnqueteBeteiligung.de" direkt in die Beratungen einer Bundestagskommission eingebunden werden. Sie sollen nicht nur wie bis her in einem Forum "angehört" werden, sondern richtig mit abstimmen dürfen. Dies ist zu begrüßen und ein historischer Schritt, den sich sicher auch die Piratenpartei mit ihrem Überraschungserfolg von 2,0 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 und ihrer offensiven Werbung für Liquid Democracy anrechnen kann.


Doch die Umsetzung von Adhocracy des "Liquid Democracy e.V." verrät die Kernidee der Flüssigen Idee und bringt so das gesamte Projekt der flüssigen Demokratie in Gefahr. 

Wo ist das Problem? Das Adhocracy Team hat eine Abstimmungsfunktion zu den einzelnen Vorschlägen eingebaut, wie man hier sehen kann: 



Jedoch gibt es keine Verifizierung der Nutzer-Accounts. Das heißt jeder kann sich beliebig viele Accounts anlegen! Ich habe mir beispielsweise (nur zu Testzwecken) inzwischen drei Nutzeraccounts angelegt. Dafür ist lediglich ist lediglich eine E-Mail Adresse und ein Passwort nötig: 


Adhocracy prüft nicht, ob sich hinter den Accountdaten "echte" Menschen stehen. Ich könnte die Zahl meiner Accounts locker auf 15 erhöhen oder auch auf 200 (dies lässt sich sogar automatisieren). Mit diesen Accounts ist dann dem Abstimmungsbetrug Tür und Tor geöffnet. In der Folge erinnert Adhocracy eher an einem Umsetzung des Facebook-Spiel "Farmville", denn auch dort geht es ja darum möglich viel "zu klicken"...

Adhocracy verrät damit die Kernidee der Liquid Democracy, nämlich ein online-gestütztes Tool zur Abstimmung zu entwerfen und damit tatsächlich valide Meinungsbilder, der interessierten Bürger zu bekommen. Auf der Homepage von Adhorcay heißt es noch: 
"Liquid Democracy kann von Organisationen und informellen Gruppen eingesetzt werden, um gemeinsam Ziele, Strategien, interne Regeln oder Positionen zu entwickeln und verbindlich darüber zu entscheiden"
Doch davon ist nichts mehr zu sehen. Dabei war Adhocracy angetreten, genau dies zu verändern. Denn  Foren, Mailinglisten, Wikis und ähnliches, gab es ja auch in der Vergangenheit schon zu Hauf. Auch dort konnte jedermann bereits Kommentare abgeben, teils auch bewerten und ähnliches. Doch das "große Problem" dieser Tools war stets, dass man nie wusste, wer sich hinter den Accounts verbirgt.

Das Problem haben die Programmierer im Adhocray-Wiki ursprünglich durchaus erkannt und klar genannt. Dort steht:
"[...] Entwürfe müssen gemeinsam entwickelt werden, ohne dass Internet-Phänomenen wie Flamewars oder Trollen ein relevanter Einfluss zukommt."
Auch in der Ursprungs-Software ist die Verifizierung der Accounts durchaus möglich. Nur in der Umsetzung für den Bundestag fehlt sie schlicht.

"Gefälschte Identitäten" sind dabei nicht nur ein Problem weil sichCracker und Internet-Kenner ein paar Accounts zusammenfälschen. Erst kürzlich flogen die unzähligen, gefälschten Identitäten von Konstantin Neven DuMont im Blog von Steffan Niggemeier auf. Auch der Geschäftsführer des "WeTab" Helmut Hoffer von Ankershoffen flog dabei auf, wie er sein eigenes Produkt mit einem gefälschten Amazon-Account in den Himmel lobte. Auch die Deutschen Bahn musste schon zugeben, eine Agentur dafür bezahlt zu haben Foreneinträge zu manipulieren. Und die FAZ berichtete erst kürzlich über eine ganze Reihe an Firmen, die anonym in der Wikipedia Manipulationen vornahmen.

Was soll große IT-Player wie Microsoft, SAP, die Telekom oder beauftragte PR-Agenturen davon abhalten mit dieser Software genauso umzugehen? Müsste hier nicht besonders sensibel aufgepasst werden?

Eine Verifizierung der Nutzer wäre dabei über viele verschiedene Wege recht einfach möglich. Zum Beispiel per Post-Ident Verfahren, über den neuen Personalausweis, mit der DE-Mail, einer symbolische Abbuchung per Kreditkarte (z.B. 1 Cent), eine SMS-Verifikation oder mit einem einfachen Postbrief (mit Bestätigungs-Nummer). Die Tatsache, dass jedoch "überhaupt" kein System zur Idenditätsfeststellung einzusetzen, ist nicht nur peinlich, sondern fahrlässig.

Und bitte nicht verwechseln: Die Nutzer können danach auch weiterhin nur mit ihrem Pseudonym auftreten, der echte Name ist nicht erforderlich. Der Nutzer muss nur durch die Administratoren verifiziert werden. 

Besonders absurd wird es, wenn später das zweite - zurzeit ebenfalls noch fehlende - Kernfeature von Liquid Democracy aktiviert wird: Die Delegation. Die Delegation ermöglicht eigentlich, dass ich meine Stimme für bestimmte Themenbereiche an einen Experten delegieren kann. Grund: Ich kann mich schließlich nicht mit allen Themenbereich selbst auseinandersetzen. 

Solange ich jedoch mir unzählige gefälschte Accounts anlegen kann, kann ich diese gefälschten Stimmen alle auf meinen Hauptaccount delegieren. So steigt meine Stimmtgewalt, ohne dass ich tatsächlich echte Unterstützer habe. 

Fazit:

Das eigentliche Kernstück von Adhocracy und von Liquid Democracy - die Abstimmung über die Vorschläge - ist so vollkommen wertlos. Adhocracy ist damit nicht viel mehr wert als ein billiges Forum, oder ein Wiki, indem es früher oder später nur darum geht, möglichst viele Accounts zu besitzen. Wenn dies so bleibt, wäre es sehr schade, denn damit würde die ursprüngliche Idee hinter Liquid Democracy verraten. Die schlechten Schlagzeilen von Fälschungen könnten später gar das komplette Projekt der Flüssigen Demokratie gefährden. Was für ein Wahnsinn.

Sollte eine Verifikation der Nutzer nicht möglich, oder genau aus diesem Grunde gar nicht gewollt sein, sollte die "Abstimmungs-Funktion" abgeschaltet werden. Zudem sollte die Plattform von EnqueteBeteiligung.de in EnqueteAnhörung.de umbenannt werden. Denn klar ist auch: Verarschen können wir uns auch selbst. Dies ist keine Beteiligung.

3 Kommentare:

  1. Axel E. Fischer, bist Du es?

    AntwortenLöschen
  2. > Das eigentliche Kernstück von Adhocracy und
    > von Liquid Democracy - die Abstimmung über
    > die Vorschläge - ist so vollkommen wertlos.

    Versuchs mal mit LiquidFeedback:
    https://lqfb.piratenpartei.de/

    AntwortenLöschen
  3. Das ist noch eine Beta, außerdem geben die Stimmen nur eine Tendenz an und führen erstmal zu nichts. Ist eine Meinungsbildung, keine direkte Demokratie. Deshalb - ist nicht so wild und außerdem ein bekanntes Problem einer Beta.

    AntwortenLöschen