Sonntag, 9. Januar 2011

Warum ich meine Magisterarbeit öffentlich im Blog schreibe

Ich werde öfter gefragt, warum ich meine Magisterarbeit online und in kurzen Texten schreibe, darauf wollte ich hier einmal eingehen:


Ich glaube nicht, dass die Netzgeneration mehr oder weniger als andere Menschen vor uns kommuniziert. Ich denke nur, dass wir anders kommunizieren. Überbrachten in vergangen Jahrhunderten Pferde noch die Briefe zwischen den Gelehrten, versuchte man möglichst viel in einen Brief zu schreiben, da der Transport des Briefes sehr teuer war. Auch der Buchdruck war teuer, doch es war die effizienteste Möglichkeit ein vollständiges Gedankenkonstrukt niederzuschreiben. Und man versuchte alle Kritikpunkte und Eventualitäten bereits zu berücksichtigen, denn bevor man mit einem zweiten Werk auf seine Kritiker reagieren könnte, würden möglicherweise Jahre vergehen.
Heute leben wir in einer "Aufmerksamkeitsökonomie". Informationen zu transportieren ist praktisch kostenlos geworden. Doch dies führte (man könnte es als eine Ironie der Geschichte betrachten) nicht dazu, dass die Menschen jetzt längere Texte verschicken, sondern seltsamerweise immer kürzere. Woran liegt das?
  • Da der Informationstransport kostenlos ist, bekommen wir heute nicht mehr "zu wenig" sondern eher viel zu viel Informationen (Spam / unendliche viele Texte / Ideen von überall). 
  • Der neue Kostenfaktor bzw. die Mangelresource heißt daher "Zeit". Es gilt also möglichst viele Informationen in kurzer Zeit zu verarbeiten. 
  • Der Leser kann bei einer guten (Vor-)Selektion so mehr von dem lesen, was ihn wirklich interessiert. 
  • Dies erfordert für den Autor jedoch in möglichst kurzen Formaten zu denken und zu schreiben.  
  •  Kürzere Texte haben eine höhere Erfolgschance als längere Texte (Natürlich nur soweit die Verdichtung der Informationen nicht in die Inhaltslosigkeit entgleitet).  

Kurze Texte sind perfekt für die Zeit des Informationsüberflusses. Jede philosophische Idee lässt sich auf zwei Din-A4 Seiten beschränken. Anstatt alle möglichen Kritikpunkte in einem langen Werk bereits vorab einzubauen, nutze ich die (dank des Internets mögliche) aktive Debatte mit meinen Lesern / Kritikern zu diskutieren. Dieses Ping-Pong-Spiel geht dabei heute teilweise binnen Stunden hin und her und führt zu einer erquicklichen Diskussion. Vorteil: Der Leser kann selbst entscheiden, wo in der Argumentation er einsteigt und wo er aufhört. Zudem kommen so schnell viel mehr Ideen zusammen, als bei einem einsamen Autor im berühmten, einsamen Turm der Wissenschaft. 

Die radikalste Form der Informations-Verbreitung und der Selektion von Nachrichten ist zurzeit Twitter mit nur 140 Zeichen, die oft einen Link "für mehr Infos" enthalten. Auch hier kann der Leser jederzeit auf "mehr" klicken.


In diesem Zusammenhang auch noch mal an Euch die Einladung: Wenn Ihr Interesse am Thema Liquid Feedback oder innerparteiliche Demokratie in der Piratenpartei habt, meldet Euch. Ich freue mich über Kritik / Anregungen. 

3 Kommentare:

  1. Eine ebenso brilliante wie zeitgemäße Idee. Ich werde dem Ganzen nun einmal folgen...

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  2. "in einem Brief zu schreiben" mit m, oder nicht? Dativ!

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